• Trotz der unsortierten Opposition liegt die psychologische Überlegenheit auf der Seite der Volksallianz. Um dies zu überwinden, kann die Opposition auf einen "Überlebens"-Diskurs zurückgreifen, der auf "wirtschaftlichen Problemen, Ein-Mann-Herrschaft und Flüchtlingen" basiert. Natürlich sind die Lebenshaltungskosten ein wichtiger Faktor, aber die Wahlen im Mai 2023 haben gezeigt, dass die Wähler auf mehrere Faktoren achten. Anders als bei den Parlamentswahlen ist die Frage des "Überlebens" bei den Kommunalwahlen weniger wirksam. Würde der Aufbau einer Koalition der Opposition für 2019 oder 2023 auf der Grundlage von Parteien die Wähler nach so vielen schlechten Erfahrungen überzeugen? Die Belastung durch neue Rivalitäten innerhalb von Parteien und Bündnissen ist ebenfalls offensichtlich. Die Äußerungen der rechten Parteien im Oppositionsblock, "mit eigenen Kandidaten in die Wahlen zu gehen", deuten in diesen Tagen auf die Sorge hin, ihre Wählerstimmen in der gesamten Türkei zu überblicken bzw. zu vermehren. Zähe Verhandlungen über eine Zusammenarbeit auf Provinzebene verunsichern jedoch die Wähler. Eine Kooperationsmodell mit ausschliesslicher Fokussierung auf Kandidaten (Personen, statt Partei) kann der Opposition keinen neuen Geist einhauchen.
  • Im Vergleich zwischen Erdoğan und Kılıçdaroğlu herrschen weit mehr Unterschiede als die Frage „Wer sollte im Namen der Türkei mit Putin sprechen“ aufzeigt.
  • Die große Frage der Wahlen am 14. Mai wird sein, wer die Türkei ins nächste Jahrhundert trägt. Erdoğan oder Kılıçdaroğlu? Das zu erwartende Tempo des Wahlkampfes weist auf die Brisanz der türkischen Politik hin. In dem mit weitreichenden Begriffen wie „Systemwandel“ und „Wiederaufbau“ geführten Wahlkampf, wissen die WählerInnen um die enorme Bedeutung dieser Wahlen und der wegweisenden Position der Kandidaten. Und die entscheidende Instanz ist einzig die Wahlurne.