Wähler im Ausland stimmten in 73 verschiedenen Ländern ab

Erster und zweiter Wahlgang und mögliche Szenarien nach den Wahlen

Wir befinden uns nun auf der Zielgeraden der Wahlen vom 14. Mai.

Wir befinden uns nun auf der Zielgeraden der Wahlen vom 14. Mai.

Wir beobachten, dass im Hinblick auf die Rivalität zwischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und dem Kandidaten der „Allianz der Nation“ (Millet İttifakı) Kemal Kılıçdaroğlu jene Prognosen zunehmend schärfer werden, denen zufolge es bereits in der ersten Runde zu einem Wahlsieg kommen solle.

Da es während des Wahlkampfes wichtig ist, die moralische Überlegenheit aufrechtzuerhalten, müssten beide Kandidaten bemüht sein, den unentschlossenen WählerInnen eine starke Botschaft des sicheren Sieges zu vermitteln.

Diese Botschaft wird geprägt von Hoffnung, Vertrauen und der Kritik der Gegenseite.

Die eigene Seite als einend und die Konkurrenz als spaltend darzustellen, tritt als Wahlargument deutlich hervor.

Erdoğans Vorteil ist seine Politik der aufeinanderfolgenden Eröffnungen und Einweihungen bedeutsamer Projekte und Errungenschaften im letzten Wahlmonat. Die virtuelle Teilnahme des russischen Präsidenten Putin an der Feierlichkeit zur Anlieferung von Brennstäben des Akkuyu Kernkraftwerkes ist eine vieler Beispiele hierfür.

Auch kommen einem dabei zuerst die Projekte TOGG (E-Auto), TCG Anadolu, Hürkuş, Die Inbetriebnahme der Erdgasraffinerie im Schwarzen Meer oder der Satellit İmece in den Sinn.

Es ist offensichtlich, dass diese Einweihungen aus den Bereichen der Verteidigung, Energie und Technologie der Heimatverbundenheit der WählerInnen berührt.

Mit seiner erfolglosen Vergangenheit bei der Sozialversicherungsanstalt (SSK) und der negativen Bilanz der CHP geführten Städte und Bürgermeisterleistungen, kann Kılıçdaroğlu keine Erfolgsprojekte und Dienste aufweisen.

Zudem vermag er den WählerInnen nicht zu erklären, warum die PKK und FETÖ Kreise seine Kandidatur unterstützen.

In den kommenden verbleibenden Tagen werden sich beide Kandidaten zunehmend auf die Notwendigkeit einer Wahlentscheidung in der ersten Runde konzentrieren.

Auch werden die CHP Kreise ihren Druck auf Muharrem İnce mit dem Vorwurf der „Stimmenspaltung“ erhöhen.

Das Streben nach einer Entscheidungsfindung in der ersten Wahlrunde ist sinnvoll.

Für einen zweiten Wahlgang gibt es in der Türkei bisher kein Beispiel und die Meinungsumfragen geben keinen wahren Aufschluss, wie die WählerInnen bei einem zweiten Wahlgang reagieren werden.

Entsprechend haben wir keinerlei Erfahrungen mit einem eventuellen zweiten Wahlgang.

Zumal es mindestens vier ungewisse Variablen gibt, die die Meinung der WählerInnen bei einem eventuellen, zweiten Wahlgang beeinflussen werden:

  • Die Ergebnisse und Wählerstimmen für Erdoğan und Kılıçdaroğlu vom ersten Wahlgang und die Frage, wer von beiden in Führung liegen wird.
  • Die Ergebnisse der Abgeordneten-/Parlamentswahlen am Abend des 14. Mai und die Zusammensetzung des neuen Parlaments. Folglich, ob die „Volksallianz“ (Cumhur İttifakı) oder die „Allianz der Nation“ (Millet İttifakı) eine Mehrheit erlangt haben oder ob die YSP (HDP) eine Schlüsselrolle für die Bestimmung einer Mehrheit einnehmen wird.
  • Zu Gunsten welches Kandidaten Muharrem İnce und Sinan Oğan ihre WählerInnen mobilisieren werden oder können.
  • Wie die Kampagnen der Kandidaten für eine zweite Wahl sein werden.

Während beide Allianzen für ihren Sieg sämtliche Versprechen und Argumente auffahren, ist es selbstverständlich, dass die vermeintlichen, zu erwartenden Probleme bei einem eventuellen Wahlsieg des Gegners thematisiert werden. Das trifft auch für die Zuspitzung der Wahldebatten zu. Doch unabhängig, wer die Wahlen gewinnen wird, ist es die Aufgabe der Politik, das Ergebnis des Volkswillens zu akzeptieren und entsprechend zu agieren. Es ist ihre Aufgabe, sich im Namen der Türkei gegen jegliche antidemokratischen Bestrebungen zu stellen, die für die Zeit nach den Wahlen chaotische Szenarien prophezeien. Die Kandidaten kritisieren sich gegenseitig bei brisanten Themen wie Demokratie oder den Kampf gegen den Terror.

Allerdings ist die Bedrohung der Zivilgesellschaft nicht hinnehmbar.

Kılıçdaroğlu, der sich eigentlich von radikalen Äußerungen nach seiner Nominierung abgewandt hatte und diese den anderen Parteivorsitzenden seiner Allianz (insbesondere Akşener) überließ, hat mit seinem neuen Video der AK Partei nahestehende NGOs als „Bande“ beschuldigt und bedroht. Für den Fall seines Wahlsieges hat er mit der Redewendung „Für den Helden ist der Krieg ein Fest“ auch Vergeltung angedeutet.

Ich frage mich, wie die Herrschaften, die stets mit Nachdruck darauf verweisen, dass „die Regierung und Opposition den Volkswillen“ und somit das legitime Ergebnis der Wahlen akzeptieren müssen, auf die offensichtlich kampfbetonte Terminologie von Kılıçdaroğlu, der offen von „Krieg“ und „Bande“ spricht, reagieren.

In this article