Lars Klingbeil wurde zum SPD-Parteivorsitz nominiert. (AFP)

Die neue Parteispitze der SPD

Lars Klingbeil und Saskia Esken sind für den SPD-Parteivorsitz nominiert worden. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz soll zum Bundeskanzler gewählt werden. Ob und wie lange diese Konstellation Erfolg verspricht, bleibt offen.

Am vergangenen Montag entschied das SPD-Präsidium offiziell, dass SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und die bisherige Partei-Co-Vorsitzende Saskia Esken die neue Parteispitze bilden sollen. Zuvor gab es bereits Andeutungen, dass die bevorstehenden Personal-Entscheidungen „ohne Kampf“ getroffen werden. Im Gegensatz zum Rückzug des bisherigen Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans von der Parteispitze hatte Saskia Esken bekanntgegeben, sie wolle erneut für den Parteivorsitz kandidieren. Dies würde gemäß dem derzeit bei der SPD praktizierten Prinzip bedeuten, dass Esken auf ein potenzielles Ministeramt verzichten würde. Während Klingbeil, dem aktuell fast überall als SPD-Bundestagswahlkampfmanager ein bedeutender Erfolg zugesprochen wird, diese Trennung bestätigt habe, sei für Esken jedoch ein Ministeramt für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Im Allgemeinen wurde die Entscheidung der Partei medial und politisch positiv aufgenommen. Dass dabei auf eine weiterhin geschlossene und zusammengeführte SPD hingewiesen wurde, sollte ebenfalls betont werden. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte bereits ausgeschlossen, Parteivorsitzender werden zu wollen. Neben der Frage, wer als Generalsekretär/in nach Lars Klingbeil folgen könnte, wird allerdings derzeit die Frage nach der inhaltlichen Ausrichtung der SPD kaum thematisiert. Dieser Punkt, wie es denn nun bei der SPD unter anderem machtpolitisch weitergehen könnte, lässt sich womöglich konkreter beantworten, sofern es bald voraussichtlich zu einer Ampel-Koalition kommen sollte.

Ein voraussichtlicher Bundeskanzler Scholz ohne Parteivorsitz

Interessant ist auch, dass an dem Modell der Trennung von Parteivorsitz und Regierungsamt, das seit 2019 gilt, festgehalten werden soll. Sowohl Klingbeil als auch Esken werden womöglich nicht für ein Ministeramt in einer potenziellen Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Parteivorsitzenden könnte dieser Schritt bestimmte Vorteile mit sich bringen. Doch die aktuell kaum aufkommende Frage, ob es für den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz nicht von größerem Vorteil wäre, nun selbst den Parteivorsitz anzustreben, sollte nochmals genauer in Betracht gezogen werden.

Der Verzicht auf den Parteivorsitz seitens Scholz stellt eine interessante Entscheidung dar. Zwar hatte Olaf Scholz bei der Stichwahl zum SPD-Parteivorsitz 2019 eine Niederlage erlitten, sich jedoch bei der Bundestagswahl 2021 lange Zeit als beliebtester Politiker behaupten können. So ist es eine wichtige Frage, weshalb eine auch nach der Bundestagswahl weiterhin sehr beliebte Person wie Scholz, die demnächst höchstwahrscheinlich auch zum Amt des Bundeskanzlers in einer potenziellen Ampel-Koalition gewählt wird, nicht auch nach dem SPD-Parteivorsitz greift. Doch dies wird derzeit wenig thematisiert. Zwar haben einige Stimmen versucht zu analysieren und angedeutet, durch den Verzicht auf den Parteivorsitz werde ein Gleichgewicht innerhalb der Partei entstehen. Dennoch stellt sich weiterhin die Frage, wie es bei zukünftigen Unstimmigkeiten und Unterschieden innerhalb der Partei zu Lösungen kommen wird.

Zu vermuten ist, dass sich Olaf Scholz durchaus ernste Gedanken über eine Kandidatur zum Parteivorsitz gemacht und alles Wichtige diesbezüglich abgewogen hat. Einerseits scheint es zwar möglich zu sein, dass durch das Modell der Trennung zwischen Parteivorsitz und einem (potenziellen) Regierungsamt unterschiedliche Strömungen innerhalb der SPD zusammengebracht werden. Diesbezüglich erscheint der Verzicht des potenziellen Bundeskanzlers auf den Parteivorsitz teilweise nachvollziehbar, da damit unterschiedlichen Stimmen innerhalb der Partei Teilhabe ermöglicht werden könnte. Zudem könnte es auch darauf hindeuten, dass Lars Klingbeil ohnehin eine Art Gegengewicht zu Saskia Esken darstellen könnte während sich der voraussichtliche Bundeskanzler Scholz zunächst auf die Regierungsarbeit konzentrieren würde.

Erfolgschancen für diese Konstellation?

Andererseits übersehen diese Vermutungen jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass es in Zukunft zu Unstimmigkeiten und Differenzen zwischen Partei, Parteiführung, Bundeskanzler und sogar den SPD-geführten Ministerien kommen könnte. Die Erwartung, dass all jene SPD-Politiker in harmonischer Weise ihren spezifischen Aufgaben nachgehen werden, dürfte sich nicht immer erfüllen. Daher wäre die Frage, wie mit Krisen oder größeren Differenzen in der Zukunft umzugehen ist. Zwar könnte auch hier in erste Linie auf einen ausgeglichenen parteiinternen Dialog hingewiesen werden. Doch ob diese theoretische Vorstellung innerhalb einer Partei wie der SPD funktionieren würde, bleibt ungewiss. Des Weiteren sollte in Erinnerung gerufen werden, dass eine voraussichtliche Ampel-Regierung mit insgesamt drei Koalitionspartnern in Betracht gezogen werden müsste, was die Sache verkomplizieren könnte.

Die SPD wird bei ihrem nächsten Parteitag im Dezember eine neue Doppelspitze wählen. Zudem ist derzeit auch geplant, dass bis Mitte Dezember SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vom Bundestag im Rahmen einer Ampel-Regierung zum nächsten Bundeskanzler gewählt wird. Ob und wie lange diese Konstellation Erfolg versprechen würde, bleibt offen.

[TRT Deutsch 12. November 2021]

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